CC 40 100 der SNCF
Zu Beginn der 60er-Jahre stieg die Frequentierung der
seit 1957 grenzüberschreitend verkehrenden hochwertigen
und schnellen Trans Europ Express-Züge (TEE) weiter
stetig an. Aufgrund der unterschiedlichen Stromsysteme
innerhalb Europas hatte man sich in den 50ern für die
Beschaffung moderner Dieseltriebzüge entschieden, um
dadurch mögliche Probleme bei der elektrischen Traktion
von vorneherein zu vermeiden. Auf einigen
Strecken(-abschnitten) und an bestimmten Wochentagen,
etwa vor den Wochenenden oder an Montagen, war der
Reisendenandrang jedoch so groß, dass das
Sitzplatzangebot der Triebwagen hierfür nicht
ausreichte. Als Ausweg boten sich lokbespannte
Zuggarnituren mit modernen Triebfahrzeugen an.
Mittlerweile waren auf dem Sektor der elektrischen
Triebfahrzeuge jedoch große Fortschritte erzielt worden,
so dass nun auch E-Loks für die grenzüberschreitende
Beförderung dieser TEE-Garnituren infrage kamen; das
Zauberwort hieß "Mehrstrom-" bzw.
"Mehrsystemlokomotiven" – Lokomotiven also, die ohne
Bespannungswechsel an den Grenzbahnhöfen durchgehend
unter den unterschiedlichen Stromsystemen der
europäischen Bahnverwaltungen verkehren konnten.
Einer der Vorreiter dieses Gedankens waren die
Französischen Staatsbahnen SNCF, die daraufhin im August
1961 zunächst vier Vierstromlokomotiven bei der Société
Alsthom (mechanischer Teil) und der Société des Forges
et Ateliers de Constructions Electiques de Jeumont
(elektrische Ausrüstung) bestellten. Die Konstruktion
dieser zunächst als Reihe CC 27 001 vorgesehenen
Lokomotiven erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der
Division des Etudes de Traction Electrique der SNCF.
Abgeliefert und in Dienst gestellt wurden diese
sechsachsigen, nun als Reihe CC 40 100 eingereihten
Maschinen (CC als Kennzeichnung der Achsfolge;
Loknummern 40 101-104) im Frühjahr 1964. Ihre
Gesamtlänge über Puffer (LüP) betrug 22.030 mm, die
Spitzenleistung 3850 kW und das Dienstgewicht 108 t. Der
einteilige silberne Inox-Lokkasten wurde in
Schalenbauweise vollkommen aus Stahl mit tragender
Außenhaut erstellt; er wurde mit roten Zierlinien und
-flächen an der Front und den Seiten zusätzlich
akzentuiert und passte damit genau zu den zeitgleich
beschafften modernen TEE-Zuggarnituren aus Inox-Wagen.
Das vortrefflich gelunene Design mit der in der
Seitenansicht zickzackartig verlaufenden Stirnfront (die
so genannte „nez cassé“ [gebrochene Nase])
schuf der berühmte Pariser Formgestalter Paul Arzens,
der damals als künstlerischer Berater für die SNCF tätig
war.
Der Lokkasten ruhte auf zwei dreiachsigen Monomoteur-Drehgestellen,
die über je einen Fahrmotor verfügten. Dieser so
genannte „Tandemmotor“ mit zwei gleichen, für 1500 V
ausgelegten Motorhälften war quer in der Mitte des
Triebgestellrahmens unmittelbar über der Mittelachse
angeordnet. Von diesem aus wurden die drei Achsen über
Zahradgetriebe mit zwei unterschiedlichen Übersetzungen
angetrieben. Mit der ersten Übersetzung waren
Geschwindigkeiten bis 160 km/h möglich, mit der anderen
(Schnellgang) noch höhere Tempi bis zu 240 km/h
(theoretisch). Bei Versuchsfahrten zwischen Paris und
St. Quentin wurden 1965 mit einem 273 t schweren Zug 222
km/h erreicht.
Die Primärfederung der CC 40 100 bestand aus
Schraubenfedern, die auf beiden Seiten der Achsführung
angeordnet wurden. Die Träger, auf denen sich die
Schraubenfederung über einen Gummiblock abstützte, waren
mit Reibungsdämpfern verbunden. Die Führung der
Achslenker übernahmen in Silentblocks gelagerte Lenker.
Die Achslager ordnete man außen an und stattete sie mit
Zylinderrollenlagern aus. Die Abbremsung
erfolgte durch eine Bremse in Spezialblockform, die auf
jedes Rad jeder Achse einseitig wirkte. Deren
Ansteuerung erfolgte mit einem Bremsventil der Bauart
Oerlikon. Das Führerbremsventil der Bauform „presse-boutons“
steuerte pneumatisch und gestattete auch das
elektro-pneumatische Bremsen des Zuges.
Zur Stromabnahme unter den vier in Europa gebräuchlichen
Stromsystemen wurde jeweils ein eigener Pantograph der
Bauart „Polycourant“ AM 18 vorgesehen, die parallel
geschaltet waren und wahlweise das vereinheitlichte
Schleifstück der SNCF sowie die vier ORE-Bauarten
aufnehmen konnten. Die Stromzuführung wurde so
abgesichert, dass der Lokführer den Hauptschalter für
Wechsel- oder Gleichstrom erst dann einlegen konnte,
wenn die verschiedenen Umschalter in die der
Fahrdrahtspannung entsprechende Stellung gebracht worden
waren. An den Systemwechselpunkten konnte dann in voller
Fahrt vorbeigefahren und vom Führerstand aus die
entsprechenden Umstellungen samt des Hebens und Senkens
der Stromabnehmer vorgenommen werden. Im
Wechselstrombetrieb beispielsweise wurden die
Fahrmotoren über einen Einphasen-Transformator und
Siliziumgleichrichter gespeist. Der Einsatz der CC 40
100 war damit sowohl unter Einphasenwechselstrom von 25
kV/50 Hz sowie 15 kV/16 2/3 Hz als auch unter
Gleichstrom von 1500 oder 3000 V möglich.
Passend dafür wurden auch die Sicherheitseinrichtungen
für die internationalen Bedingungen angepasst; sie
bestanden aus den automatischen
Überwachungseinrichtungen (in Kombination mit der
Wiederholung der „Halt-Zeichen-Signale“), der
automatischen Signalregistrierung mittels Kontaktbürsten
(für die Strecken der SNCF und SNCB), der induktiven
Zugsicherung (Indusi) auf elektromagnetischer Grundlage
(für den Bereich der DB und ÖBB) und der schweizerischen
Zugsicherungseinrichtung Intégra auf elektrischer
Grundlage.
Beheimatet wurden die CC 40 100 im Depot La Chapelle im
damaligen Réseau Nord der SNCF.
Für die neuen Mehrsystemlokomotiven, die in Frankreich
auch als „Europalok“ bezeichnet wurden, sah man die
Bespannung der TEE-Züge auf der Strecke Paris – Brüssel
– Amsterdam vor, die komplett mit dem neuen
Wagenmaterial gebildet werden sollten (TEE PBA). Sie
verbanden Paris und Brüssel in nur 2 ½ Stunden sowie
Paris und Amsterdam in 5 Stunden 19 Minuten. Die
mittlere Reisegeschwindigkeit lag bei 120 km/h; auf
einigen Streckenabschnitten wurde planmäßig auch mit
mehr als 160 km/h gefahren. Die Zugkraft der CC 40 100
reichte aus, auch Züge mit 300 t Masse noch mit 200 km/h
zu befördern.
Diese TEE-Züge mit wohlklingenden Namen wie „Oiseau
Bleu“, „Etoile du Nord“, „Brabant“ oder „Ile de France“
bestanden damals zunächst aus insgesamt fünf der
modernen, ab 1964 gebauten, vollklimatisierten,
nichtrostenden Inox-Wagen: Der Packwagen enthielt ein
Dieselaggregat zu Stromerzeugung für die Klimaanlage,
die Beleuchtung und den Küchenbetrieb. Ein Bar- und ein
Speisewagen sorgten für das erstklassige leibliche Wohl
der Fahrgäste. Wer diesen Genüssen nicht frönen wollte,
konnte auch im Großraum- oder Abteilwagen Platz nehmen.
Ab dem 2. August 1964 lösten diese CC 40 100-bespannten
Garnituren die bislang in diesen Diensten eingesetzten
RGP 825-Dieseltriebwagen der SNCF sowie die
niederländisch-schweizerischen RAm-TEE-Triebzüge ab.
Dadurch wurde eine nochmalige Erhöhung des Reisekomforts
auf dieser wichtigen europäischen TEE-Verbindung
erzielt. Später wurden diese Garnituren noch durch
weitere TEE PBA-Wagen ergänzt.
Die Beschaffung der Wagen teilten sich SNCF und die
Belgischen Staatsbahnen (SNCB): 25, der SNCF gehörende
PBA-Wagen wurden bei Carel-Fouché in Frankreich gebaut,
die elf weiteren beschaffte die SNCB bei Brugeoise &
Nivelles im eigenen Land. Sie wurden in einen
gemeinsamen Wagenpool eingestellt und zusammen in den
jeweiligen Garnituren verwendet. Märklins Wagenset 41870
besteht aus zwei Großraumwagen A8tuj der SNCB, einem
Speisewagen mit Küche A5rtuj und einem Generatorwagen
mit Dienstabteil A2Dxj der SNCF. Das zweite Set 41871
verfügt über zwei Abteilwagen A8uj sowie den Barwagen
A3rtuj der SNCF. Einzeln erhältlich ist noch ein
weiterer belgischer Großraumwagen A8tuj (41872); alle
sind in maßstäblicher Länge in 1:87 und mit mehrfarbigen
Inneneinrichtungen umgesetzt worden.
Den ersten vier Maschinen folgten 1969/70 sechs weitere
CC 40 100 (40 105- 40 110) in nahezu identischer
Ausführung. Lediglich die Getriebeübersetzungen wurden
den fortgeschrittenen Bedingnissen des Betriebes
angepasst; die „normale“ Übersetzung reichte jetzt bis
180 km/h, der Schnellgang bis 220 km/h. Sie wurden neben
der Bespannung der TEE-Züge auch für den Einsatz vor
normalen internationalen Zügen zwischen Amsterdam,
Brüssel und Paris eingesetzt. Allerdings erreichten sie
– trotz aller hierfür bestehenden Voraussetzungen –
planmäßig nie Amsterdam. Stattdessen wurde an der Grenze
doch wieder umgespannt, meist auf die grün-gelben
belgischen „Kartoffelkäfer“, die Nohab-Dieselloks der
Reihe 54 (204).
In den 70er-Jahren wurden die meisten TEE-Verbindungen
in EC-/IC-Züge umgewandelt, auch der „Etoile du Nord“
und der „Brabant“, die von nun als EC (EuroCity) von
Paris nach Brüssel und Amsterdam verkehrten. Planmäßig
blieb jedoch ihre Bespannung mit den französischen CC 40
100. Erst am 1. Juni 1996 endete das Zeitalter der
lokbespannten EC auf diesen Verbindungen; sie wurden
zunächst durch die Mehrsystemtriebzüge TGV-Réseau und
später die Thalys-Triebzüge abgelöst. Damit endeten auch
die Einsätze der CC 40 100.
Überlebt haben drei Maschinen: Die CC 40 101 steht als
Leihgabe der SNCF im Musée de la Mine à Oignies; die CC
40 109, ebenfalls im Besitz der SNCF, im Musée du Chemin
de Fer de Mulhouse (Mühlhausen im Elsaß) sowie die
betriebsfähige CC 40 110 im Bestand des Eisenbahnvereins
„Matériel Ferroviaire et Patrimoine National“ M.F.P.N.
im SNCF-Depot Villeneuve-St. Georges.